Der lange Weg vom Schüler zum Profi-Astronomen


Hans-Jörg Deeg, Teneriffa, März 2002

Artikel für die Festschrift der Astronomischen Vereinigung Weikersheim zu ihrem 25-jährigen Bestehen.





Mit einem 'Praxisbezogenen Astronomischen Seminar' der AVW (Astronomischen Vereinigung Weikersheim) begann mein astronomischer Werdegang am 17 Januar 1980. Woher ich dies noch so genau weiß? Selbiges Seminar eignete sich hervorragend für einen Aufsatz zu einer Freizeittätigkeit, der kurz darauf im Deutschunterricht verlangt wurde. Des Seminars Höhepunkt war ein Besuch bei der Sternwarte zur Beobachtung der Sonne. Da es jedoch bewölkt war, wurde versucht das Teleskop mit Hilfe von Tabellenwerten und Berechnungen auf die unsichtbare Sonne auszurichten. Zwei verschiedene Ausrichtungen wurden schließlich angeboten, denn , so sagt der Aufsatz, "Herr B. (der Seminarleiter) und der ebenfalls anwesende Herr G. hatten bei diesen Rechnungen gewisse Schwierigkeiten", und weiterhin: "Um wenigstens die Vergrösserungsfähigkeit des Fernrohres zu demonstrieren wurde es auf eine ca 1km entfernte Baumgruppe ausgerichtet und die Teilnehmer des Seminars, welche mittlerweile alle sehr froren, durften diese Bäume aus allernächster Nähe betrachten". "Das war wenigstens etwas!" schrieb hierzu am Rande der Deutschlehrer.
 
 

Ein weiterer nächtlicher Besuch war dann erfolgreicher, und es bildete sich bald darauf eine Gruppe von Schülern und Freunden (Jochen und Jürgen Quenzer, Alex Welz, Karoline Knoth und der Autor), welche bei jeder Gelegenheit das Fernrohr belagerte, bald darauf mit Astrofotographie begann, und deren Aktivitäten mit dem Bau einer trockeneisgekühlten Tiefkühlkamera ihren Höhepunkt fanden. An dieser Kamera gelang es uns immerhin ihre Möglichkeiten zu demonstrieren - gekühlter Film ist erheblich empfindlicher in Langzeitbelichtungen- und einige Bilder von 'Deep Sky' Objekten (M27, M51) wurden aufgenommen. Die umständliche Bedienung verhinderte jedoch ihre häufigere Benutzung - und mit dem Aufkommen der CCD Kameras ist diese Technik heute fast vergessen.
 
 

In dieser Zeit entschied ich mich auch, statt Chemie lieber Physik zu studieren, da dies die beste Möglichkeit für den Einstieg in die professionelle Astronomie gibt. Nach dem Beginn des Studiums an der Uni Würzburg merkte ich bald, dass die Fächer Physik und Mathematik, welche mir in der Schule recht leicht fielen, nun alle Anstrengungen abverlangten. Immerhin gab es das 'Astronomische Seminar' von Prof. Deubner, welches meine Motivation erhielt, während meine Aktivitäten bei der AVW sich zwangsläufig reduzierten. Gänzlich endeten sie 1985 mit dem Beginn eines Studiums an der University Buffalo in den USA. Dies war ursprünglich als einjähriges Austauschstudium vorgesehen. Die erheblich persönlichere Betreuung durch die Professoren, die Möglichkeiten zum Mitwirken an Forschungsprojekten, und das 'abenteuerlichere' Leben führten aber bald zum Wunsch, zum weiterführenden Studium in den USA zu bleiben. An der Uni Buffalo wurde jedoch keine Astronomie angeboten, und nach Erhalt des dortigen 'Masters Degree' -entsprechend dem Diplom in Physik- wollte ich die Universität wechseln. Weiterführende Studienplätze sind in den USA jedoch mit der Vergabe eines Stipendiums verbunden, und bedürfen einer länglichen Anmeldeprozedur - und dazu war es zu spät. Schließlich fand sich ein Job bei der US Niederlassung von Siemens, bei der Entwicklung von Kernspintomographen. Dies überbrückte ein Jahr, und war eine willkommene Abwechslung vom Studentendasein.
 
 

Richtig los ging es dann mit der Astronomie bei der University of New Mexico in Albuquerque. Alle grundlegenden Kurse in Physik hatte ich überstanden, besaß aber nur wenig Fundamente in der Astronomie. Dies wurde dort in einem Jahr nachgeholt und endete in der Aufnahmeprüfung als Doktorand -mit Abstand die schwierigste in meiner Karriere. Ein Professor überredete mich dann zur Annahme einer Doktorarbeit bei ihm, und nahm mich zu den ersten Beobachtungen bei einem größerem Teleskop mit, dem Steward Observatory 2.5m, um Spektren von Galaxien aufzunehmen. Bald stellte sich aber heraus, dass dieser Professor tausende ähnlicher Spektren hatte, die teils schon 8 Jahre lang auf Magnetbändern ihrer Auswertung verharrten, und ähnlich lange arbeitete er schon an einem Computerprogramm zu ihrer Analyse, welches nie richtig funktionierte. Sein Doktorand solle das ganze Chaos ordnen. Nach einem Jahr der Frustration und Hunderten von Computer-Abstürzen konnte ich schließlich einen anderen Professor überzeugen, mit einem neuen Thema anzufangen.
 
 

Damit begann die beste Zeit in meiner Ausbildung. Galaxien mit starker Sternentstehung wurden im Radiobereich vom nahgelegen 'Very Large Array' beobachtet. Von dem universitätseigenem 0.6m Teleskop -auf dem 2900m hohen Capilla Peak in 80km Entfernung gelegen- wurden optische Aufnahmen der gleichen Galaxien verfertigt. Die Doktorarbeit zeigte über Zusammenhänge zwischen den Radio und den optischen Daten, welchen Verlauf die Sternentstehung dieser Galaxien in den letzten paar Millionen Jahren genommen hatte. Einige Jahre später wurde diese Arbeit fertig, und auch die ersten wissenschaftlichen Artikel waren geschrieben, und damit begann die schwierige Aufgabe, eine Anstellung als 'Postdoc' zu finden. Dies sind Stellen für junge Wissenschaftler, die meistens auf 2 oder 3 Jahre begrenzt sind - und in den frühen neunziger Jahren waren diese schwer zu finden. Nach 45 Bewerbungen, mit zwei 'Beinahe-Erfolgen' - beidemale in Australien- gab mir ein Freund meines Doktorvaters seine Zusage, nach Rochester, im US Staat New York zu kommen. Das Testen von Eigenschaften von CCD Chips von Kodak (in derselben Stadt ansässig) war die nächste Aufgabe, verbunden mit astronomischen Beobachtungen offener Sternhaufen. In dieser Zeit lernte ich auch Dr. Laurance Doyle vom SETI Institute in Kalifornien kennen, welcher zu einem Vortrag über die Suche nach extrasolaren Planeten kam. Mit seiner Begeisterungsfähigkeit gelang es ihm in kurzer Zeit, sich meiner Mithilfe in dem ersten Projekt zur Suche nach Transits von Extrasolaren Planeten zu versichern. Laurance ist seitdem ein enger Kollege und guter Freund geworden. In Rochester sagte mir jedoch weder das Institut noch die Stadt sonderlich zu, und nach 9 Jahren in den USA wollte ich wieder nach Europa. Das Bewerben war diesmal erfolgreicher, und mit einer Zusage für einen 'Postdoc' beim Astrophysikalischen Institut der Kanarischen Inseln (IAC) siedelte ich 1994 nach Teneriffa über.
 
 

Sowohl das Institut, die Insel und das Soziale Umfeld gefielen mir auf Anhieb besser. Dank der guten Möglichkeiten zu Beobachtungen entwickelte sich dort schnell das Planeten-Transit Projekt in meine hauptsächliche Forschungsrichtung. Dies war eine gute Entscheidung, denn seit 1995, mit der Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten, erlebte dieses Feld einen enormen Aufschwung. Dies erlaubte mir auch, frühzeitig dabei zu sein bei den Vorbereitungen für zwei Satelliten, 'COROT' und 'Eddington', zur Entdeckung von Extrasolaren Planeten mit der Transit-Methode.
 
 

In jenem Jahr lernte ich in Teneriffa auch meine spätere Frau kennen. Damit begann allerdings ein Dilemma das schon viele wissenschaftliche Karrieren beendet hat, wenn man nicht mehr bereit ist, alle paar Jahre umzuziehen bis sich eine der begehrten 'festen Stellen' findet. Nach vier Jahren beim IAC war ein Umzug nach Madrid unumgänglich. Dem folgte ein Jahr später eine Stelle in Granada beim Astrophysikalischen Institut von Andalusien, die sich dank Internet aber zum größten Teil von Teneriffa aus bewältigen lies. Bei dem COROT Satelliten ist Spanien nun, nach mehreren Jahren der Verhandlungen und bürokratischer Formalitäten, auch ein offizieller Teilnehmer. Die Gelder für dieses Projekt sollten mir nun in Teneriffa eine gewisse Stabilität einbringen - nach seinem Start im Jahre 2005 wird dieser Satellit bis 2008 aktiv sein, und die endgültige Auswertung seiner Daten wird noch ein paar Jahre länger dauern. Dieser Satellit wird nun auch der erste sein, mit dem die Entdeckung erdähnlicher Planeten um andere Sterne in den Bereich des Möglichen rückt. Von diesem und weiteren Satelliten, und den zugehörigen erdgebundenen Beobachtungen die uns immer detailliertere Daten liefern werden, nährt sich die Erwartung, dabeizusein um eine der ältesten Fragen in der Astronomie zu beantworten:

Gibt es im Universum andere Welten wie die Unsere?